Lifestyle / Kultur
17 Oktober 2023

Zirkuläres Bauen: Wiederverwenden statt verschwenden

Bauen muss nachhaltiger werden. Der wohl vielversprechendste Ansatz: Das Modell des zirkulären Bauens. Im Fokus stehen dabei Wiederverwendung und Recycling von Materialien sowie die Umnutzung von Gebäuden.

Herstellen, verbrauchen, entsorgen – das ist das Prinzip, auf dem die meisten unserer globalen Wirtschaftssysteme ursprünglich aufbauen. Es ist ein lineares Modell, das lange Zeit kaum infrage gestellt wurde. Doch spätestens seitdem wir unsere Augen nicht mehr vor den immensen Folgen unserer „Wegwerfgesellschaft“ für Klima und Umwelt verschließen können, findet ein Umdenken statt.

Auch der Bausektor – immerhin einer der weltweit größten Ressourcenverbraucher und Hauptverursacher der globalen Erderwärmung – rückt allmählich ab vom linearen Ansatz. Ins Zentrum rückt stattdessen die Kreislaufwirtschaft, genauer: das zirkuläre Bauen (vergl. Grafik).

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Vergleichende Darstellung zwischen rein verbrauchenden Ressourcen (li.) und der Kreislaufwirtschaft.

Ziel dabei ist es, Ressourcen zu schonen, Abfälle zu reduzieren und die Umweltbelastung zu minimieren. Dies geschieht, indem die Ressourcen nicht einfach nach deren Nutzung entsorgt, sondern in den Produktionsprozess zurückgeführt oder anderweitig wiederverwendet werden. Die Kreislaufwirtschaft versucht, den linearen Prozess des Verbrauchens und Entsorgens zu durchbrechen, indem sie den Fokus auf Wiederverwendung und Recycling legt, aber auch auf eine grundsätzlich längere Nutzungsdauer der Produkte.

Zirkulär statt linear

Setzt die Bauindustrie diese Prinzipien ein, kann auch sie das Bauen erheblich nachhaltiger gestalten. Damit das gelingt, legen zukunftsorientierte Baufirmen und Projektentwickler schon bei der Planung neuer Gebäude den Fokus darauf, Ressourcen zu schonen, Transportwege zu verkürzen und langlebige Objekte zu schaffen, die eine möglichst flexible Nutzung erlauben. Zu all dem gehört von Anfang an die Überlegung, wie sich die Gebäude am Ende ihrer Lebensdauer Rückbauen und hochwertig recyceln lassen. Bauwerke können demnach als eine Art temporäres Materiallager und eine wertvolle Materialquelle für zukünftige Bauvorhaben verstanden werden.

Um möglichst nachhaltig zu bauen, kommt der Materialwahl naturgemäß eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Neben der konsequenten Vermeidung von Schad- und Risikostoffen spielen dabei insbesondere nachwachsende Rohstoffe eine immer wichtigere Rolle. So wird beim Bau auch von höheren Gebäuden beispielsweise zunehmend auf Holz gesetzt (der US-Invest berichtete). Der Vorteil gegenüber klassischen Baumaterialien wie Beton oder Stahl besteht nicht nur darin, dass sehr viel weniger Energie zu seiner Herstellung benötigt wird, sondern dass Holz außerdem in der Wachstumsphase CO2 bindet.

Auch bei Dämmstoffen rücken nachwachsende Materialien seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus, so etwa Hanf, Flachs, Stroh, Wolle oder Kork. Genau wie Holz haben sie den Vorteil, dass sie CO2 binden. Zudem können sie – anders als konventionelle Dämmstoffe wie Mineralwolle oder erdölbasierte Kunststoffe – meist problemlos wiederverwendet, thermisch verwertet oder sogar kompostiert werden, ohne negative Langzeitfolgen für Umwelt und Gesundheit.

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Herstellung organischen Dämmmaterials: Verwendung nachwachsender Rohstoffe reduziert Umweltbelastungen drastisch.

„Graue Energie“ als entscheidender Hebel

Es sind aber nicht nur die Baumaterialien, die die Konstrukteure beim zirkulären Bauen in den Blick nehmen. Es geht ihnen auch darum, die Umweltbelastung durch den Bauprozess zu reduzieren, genauso wie die Abfälle, die während der Arbeiten anfallen, und die Emissionen der Baumaschinen. Denn in jedem Bauwerk steckt sogenannte „graue Energie“. Damit ist die Energie gemeint, die beim Bauen aufgewendet und verbraucht wurde – etwa zum Gewinnen von Materialien, zur Herstellung von Bauteilen oder zum Transport von Maschinen und Entsorgen von Abfall. Immer mehr Städte versuchen deshalb, ihre Baustellen klimafreundlicher zu gestalten. In Oslo beispielsweise sollen die Baustellen bis 2025 nahezu emissionsfrei sein. Aber auch Metropolen wie San Francisco, London, Los Angeles und Mexico City haben sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung von 40 großen Städten der Welt („C40“) dazu verpflichtet, den CO2-Ausstoß beim Bau in den kommenden Jahren drastisch zu reduzieren.

Neben dem nachhaltigen Neubau ist einer der wichtigsten Hebel für mehr Ressourcenschonung am Bau die Verlängerung der Lebensdauer bestehender Gebäude. Zwar verbrauchen auch die Sanierung und Umnutzung von Bestandsgebäuden Energie, jedoch erheblich weniger. Denn wenn der Rohbau mitsamt seiner bereits verbrauchten grauen Energie weitergenutzt wird, entfällt der Energieverbrauch für Abriss, Entsorgung und Neubau. Für die Ressourcenschonung durch Bestandsentwicklung spricht zudem ein weiterer zentraler Faktor: die zunehmenden Liefer- und Materialengpässe. Denn viele Ressourcen, die wir in unseren Gebäuden verbauen beziehungsweise bereits verbaut haben, sind schlicht zu wertvoll und rar, um sie achtlos auf irgendwelchen Deponien zu entsorgen.

Das zirkuläre Bauen bietet vielversprechende Lösungen für die Herausforderungen, denen die Bauindustrie in Sachen Klimaschutz und Ressourceneinsparung gegenübersteht. Denn durch den Fokus auf Wiederverwendung und Recycling, auf eine effiziente Materialnutzung und die Verwendung nachwachsender Rohstoffe sowie die Reduktion von Emissionen im Bauprozess selbst kann der Bausektor viele Umweltbelastungen erheblich reduzieren. Bis zu einem vollständigen Kreislaufmodell ist es heute zwar noch ein weiter Weg – in die richtige Richtung geht die Industrie aber bereits.

Zirkuläres Bauen spielt auch bei den Jamestown Objekten eine immer wichtigere Rolle. Bei der Revitalisierung von Ponce City Market (PCM) in Atlanta blieben beispielsweise 99,5 Prozent des ursprünglichen Fußbodens erhalten. Die in den Holzfußböden gespeicherte graue Energie beläuft sich auf rund 455 Tonnen CO2. Bei Neubauprojekten setzt Jamestown ebenfalls auf Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit: Auf dem PCM-Areal entsteht aktuell ein vierstöckiges Holzgebäude, vorwiegend bestehend aus Kiefernholz von Jamestown Forsten in der Region. Und: Aus Folien der Bauzäune sollen nach deren Verwendung Einkaufstaschen hergestellt werden.

Holzgebäude auf dem Areal von Ponce City Market: Holz aus der Region spart lange Transportwege

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