Immobilientrends
28 Januar 2024

USA: Immobilienmärkte am Wendepunkt?

Auf dem US-Immobilienmarkt mehren sich die Indizien für eine Erholung – steht der Wandel in einen Käufermarkt bevor? Von Fabian Spindler, Geschäftsführer Jamestown

Erleichterung macht sich breit in den USA. Die drohende Rezession scheint abgewehrt zu sein, ein „Soft-Landing“ der US-Wirtschaft gilt unter US-Ökonomen nach dem Zins-Schock mit den höchsten Leitzinsen seit 22 Jahren infolge der Inflationsbekämpfung als Mehrheitsmeinung. Sogar das sonst so vorsichtige Marktforschungsinstitut Oxford Economics glaubt an ein leichtes Wachstum der US-Wirtschaft von rund einem Prozent in den ersten Monaten 2024. Schon laufen die ersten Wetten, wann die US- Notenbank Fed im Jahr 2024 ihre Leitzinsen wieder zart senken könnte. Gemach, gemach, sagen dann andere, denn mit zuletzt rund 3,4 Prozent liegt die Inflationsrate noch ein gutes Stück von der angestrebten Zielgröße von zwei Prozent entfernt, und noch erlaubt sie sich auch mal kleine Hüpfer nach oben. Außerdem liefe die US-Wirtschaft bei einer zu schnellen Zinssenkung in die Gefahr einer Überhitzung. Die Fundamentaldaten in den USA sind weitgehend wieder in Ordnung. Nach dem beispiellosen Konjunkturprogramm „Inflation Reduction Act“ der Biden-Regierung liegt die Arbeitslosenquote mit rund 3,5 Prozent auf einem historischen Tiefpunkt. Seit September 2022 ist ein beeindruckender Anstieg der Neugeschäftsgründungen um 11,5 Prozent in allen Regionen zu verzeichnen. Das Verbrauchervertrauen ist zuletzt drei Monate in Folge gestiegen und übersprang die magische Hundertermarke. Die Bevölkerung wächst weiter kontinuierlich; für die nächsten zehn Jahre rechnen die Statistiker mit einem Zuwachs von heute 340 Millionen auf dann 360 Millionen Einwohner.

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In den nächsten zehn Jahren erwarten die Statistiker einen Anstieg der US-Bevölkerung auf 360 Millionen Einwohner

Vergebliche Suche nach Käufern

Die Corona-Krise ist nun eingehegt, aber ihre Folgen und mehr noch die Zinspolitik der Fed zur Eindämmung der aggressiven Inflation haben auf den US Immobilienmärkten böse Bremsspuren hinterlassen: Verteuerungen bei Krediten (sofern Banken überhaupt welche gegeben haben), hohe Leerstände insbesondere bei unattraktiven Büro-Immobilien (laut Moody’s Analytics kratzt die Leerstandsquote landesweit durchschnittlich an den 20 Prozent) und Verzerrungen auf den Wohnungsmärkten führten zu erheblichen Preiseinbrüchen und hatten die Transaktionsvolumina dramatisch einbrechen lassen – laut Finanz- und Datendienstleister MSCI um knapp 60 Prozent im vergangenen Jahr gegenüber 2022. Wer verkaufen wollte, fand schlicht keine Käufer, sprich Investoren. Die Folge: Seit 2021 waren die Objekt-Bewertungen bei 81 Prozent der Immobilien gesunken, wenngleich bei nur 6,6 Prozent um mehr als 20 Prozent gegenüber den Einkaufspreisen dieses Zeitraumes. Teure Anschlussfinanzierungen, gestiegene Kosten zum Unterhalt und zur notwendigen Modernisierung oder gar Flächen Umnutzung zwingen immer mehr Immobilieneigentümer zum Verkauf. Nur der stationäre Einzelhandel ist dank Phantasie und Nachholeffekten beim Konsum vergleichsweise glimpflich davon gekommen und sollte diesen Schwung auch mit ins neue Jahr nehmen, wie das Urban Land Institute (ULI) und die Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers (PwC) in ihren Emerging Trends in Real Estate 2024 berichten. Unterstützung erhielt der Immobilienmarkt kurz vor der letzten Sitzung des Jahres der Fed indirekt durch die Absenkung der Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen, der konkurrierenden Assetklasse von Immobilien. Die Folge von all dem: Während die Preisvorstellungen von Verkaufswilligen und Kaufinteressenten noch vor wenigen Monaten weit auseinanderklafften, nähert man sich langsam einander an.

Ein Blick in den Rückspiegel

Erleben wir jetzt also ein für Käufer günstigeres Investitionsklima? Genau genommen beobachten die Analysten Entwicklungen, die sie eigentlich schon für das vergangene Quartal prophezeiten. Es lohnt ein kurzer Blick in den Rückspiegel und auf die verschiedenen Markt-Indizes.

So ist spannend zu beobachten, was sich derzeit hinter den Kulissen tut, bei den Banken nämlich. Weil viele Immobilien-Eigentümer den Kapitaldienst für das aufgenommene Fremdkapital nicht mehr leisten können, sind diese Kredite in Not geraten. Betroffen sind aufgrund der sich verfestigenden Hybridarbeit insbesondere Bürogebäude und Objekte, die kaum Wertsteigerungen oder Einnahmeverbesserungen durch ein aktives Miet- und Objektmanagement oder Umnutzung zulassen. Innerstädtische Standorte stehen dabei vielerorts zunehmend in Konkurrenz mit der wachsenden Vitalität von Außenbezirken.

Der Finanz- und Datendienstleister MSCI misst diese notleidenden Kredite in seinem MSCI US Distress Tracker. Zuletzt standen Kreditverpflichtungen von über 82,9 Milliarden US-Dollar schwer in Schieflage – übrigens weit weniger als in den Jahren 2010 bis 2012 nach der großen Finanzkrise. Das National Bureau of Economic Research vom Dezember verweist sogar auf eine potentielle Kredit-Ausfallrate von zehn bis 20 Prozent mit möglichen Zahlungsausfällen von 80 bis 160 Milliarden Dollar. Wobei die Unterschiede zwischen den Segmenten, Regionen und gar Stadtteilen eklatant ausfallen.

Die problematischsten Kredite sind die für Immobilien, die zu rekordhohen Immobilienpreisen und rekordtiefen Hypothekenzinsen finanziert wurden, oftmals in den Jahren 2021 und 2022. Viele Kredite aus diesen Jahrgängen hatten kurze Laufzeiten. Manche dieser Eigentümer könnten Schwierigkeiten bekommen, ihre Kapitalstrukturen in einem Umfeld höherer Zinssätze und niedrigerer Objektbewertungen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

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Beim Placemaking steht der Mensch im Mittelpunkt

Der US-Immobilienmarkt dreht sich in einen Käufermarkt

Das allerdings bringt auch Banken in Schwierigkeiten. Das Verhältnis von Fremdkapital zum Immobilienwert (LTV, Loan to Value) ist nach den Preiseinbrüchen bei 44,3 Prozent der Darlehen in die Gefahrenzone getrieben. Die Folge: Immer mehr Banken versuchen, die notleidenden Objekte klammheimlich in ganzen Paketen abzustoßen, um die faulen Kredite aus ihren Büchern zu bekommen. Potentielle Käufer sind da in einer guten Verhandlungsposition – und die Zeit spielt ihnen dabei in die Karten. Und um einen Vermögenswert unter Stress zu kaufen, kann die Fähigkeit, sich mit Liquidität schnell bewegen zu können, nicht überbetont werden. Der schnelle Zugriff auf bereitliegende Finanzmittel kann oft bessere Konditionen bieten.

Die strengen Kreditbedingungen haben zudem zu einem starken Rückgang von 34 Prozent der Neubaustarts innerhalb eines Jahres geführt (bei Büros sind es sogar 59 Prozent), was den Flächenzuwachs abschwächt und das Mietwachstum nach Meinung von Clarion Partners, einem der weltweit größten Immobilienmanager weltweit, ab 2025 wieder stärken sollte. Der Immobiliendienstleister CBRE glaubt sogar, dass sich die Neubautätigkeiten in den nächsten zehn Jahren nicht recht erholen werden. Erste Anzeichen für eine Marktkonsolidierung sieht Clarion demzufolge darin, dass sich mancherorts bereits Leerstände wieder abbauen und manchmal sogar wieder erste Rekordmieten gemeldet wurden. Diese Hintergrundgeräusche spiegeln sich auch in den einschlägigen Preis Indizes wieder. Im vergangenen November sank der Green Street Commercial Property Price Index dann doch nochmal um drei Prozent und damit um 22 Prozent gegenüber dem Peak von März 2022. Green Street sieht damit langsam die Talsohle erreicht, die sich nach der Verlangsamung der Preisnachlässe schon im vergangenen Herbst abzeichnete.

Das gleiche Bild ergibt sich bei den National All-Property Indices von MSCI, die mehr die Zukunftserwartung der Marktplayer eingepreist haben: Innerhalb eines Jahres sind die Büropreise um durchschnittlich 14,9 Prozent (in Innenstadtlagen sogar um 26 Prozent), die für Einzelhandelsobjekte um 6,7 Prozent und die für Apartments um 12,1, Prozent gefallen – in der Tendenz aber liegen die Absenkungen in den letzten vier Monaten des vergangenen Jahres unter dem Jahresdurchschnitt.

Und selbst bei den Banken könnte langsam wieder Entspannung eintreten. Jüngste Trends bei den LTVs deuten darauf hin, dass Kreditgeber wieder etwas weniger Angst vor Abwärtsrisiken haben. Die LTVs hatten Mitte 2023 ihren Tiefpunkt und liegen noch weit unter denjenigen vor der Pandemie, aber die Aufwärtsdynamik zum Jahreswechsel ist signifikant.

Einzelhandels- und Wohnimmobilien mit positiven Aussichten

Grundsätzlich positiv werden Einzelhandelsimmobilien gesehen. Der Einzelhandel verzeichnete aufgrund der Nachholeffekte nach Corona kaum Konkurse, eher sogar Umsatzwachstum. Das begünstigt für die Vermieter allgemein die Einnahmensicherheit und stabilisiert Immobilienportfolios. Einzelhandelsobjekte in demografisch stark wachsenden Regionen (beispielsweise am Sun Belt im Süden der USA) entwickeln sich sogar überdurchschnittlich gut. Während der E-Commerce weiter wächst, macht er laut Moody’s nur etwa 15 Prozent des gesamten Einzelhandels aus, so dass es viel Platz für stationäre Betreiber gibt, vor allem in Nachbarschafts- und Gemeindeeinkaufszentren.

Bei Wohnimmobilien sind nach Ansicht von CBRE und PwC die kurzfristigen Aussichten gedämpfter, nachdem zuletzt viele Neubauten auf den Markt kamen. Die hohen Hypothekenzinsen werden jedoch den Hausbau schwächen, was die Mietnachfrage zumindest aufrechterhalten wird. Die Unternehmensberatung McKinsey glaubt daher, dass die Nachfrage nach Mietwohnraum in 2030 wieder höher sein wird als in 2019, vor allem im Sun Belt und an der Westküste. Die Folge: Steigerung der Renditen bei Mietwohnungen auf durchschnittlich 6,3 Prozent p.a. in den Jahren 2024 bis 2027 (Oxford Economics). Laut der MSCI-Analysten sollte sich ab dem Jahreswechsel aufgrund der Marktdaten Optimismus breit machen, aber es könnten noch Monate vergehen, bis sich diese auch in tatsächlichen Transaktionen niederschlagen. Alle Anzeichen deuten auf eine Talsohle hin. Für Investoren mit genügend Eigenkapital ist demnach nun ein guter Zeitpunkt für einen Einstieg gekommen.

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Die Unternehmensberatung McKinsey glaubt, dass die Nachfrage nach Mietwohnraum in 2030 wieder höher sein wird als in 2019

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