Jamestown News
01 Oktober 2020

Nachhaltig investieren: Mit gutem Gewissen zu guter Rendite?

Industry City Innenhof

Industry City, Brooklyn, New York

Nachhaltige Kapitalanlagen spielen bei großen Investoren wie Banken, Versicherern, Kirchen und Stiftungen eine immer wichtigere Rolle. Und auch Privatanleger setzen zunehmend auf nachhaltige Investments. Das erleichtert nicht nur das Gewissen – es kann sich auch finanziell lohnen. Wir erklären, was nachhaltige Kapitalanlagen sind und warum sie aus Risiko- und Renditesicht eine Bereicherung für das Portfolio darstellen können.

Nachhaltig zu investieren verbinden die meisten mit Beteiligungen an Solaranlagen, Windparks, nachwachsenden Rohstoffen oder Wasserkraftwerken. Nachhaltigkeit ist aber viel mehr als das. Neben diesen klassischen „grünen“ Investments gibt es viele weitere Wege, um das Ersparte nachhaltig anzulegen. Denn nachhaltig zu investieren bedeutet vor allem eines: sich für Unternehmen und Projekte zu entscheiden, die der Umwelt und Gesellschaft nicht in irgendeiner Form schaden, sondern sich im Gegenteil für einen ressourcenschonenden, klimafreundlichen und verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und den Menschen einsetzen.

Nachhaltigkeit wird für Großanleger immer wichtiger

Nur wenige Großanleger verzichten heute noch auf die sogenannten ESG-Kriterien bei ihrer Anlagestrategie. „ESG“ ist eine Abkürzung für die drei Begriffe Environment, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Kurz gesagt geht es darum, dass auch diese ökologischen, sozialen und ethischen Aspekte in die Anlageentscheidung einfließen und nicht mehr allein auf den Profit geschielt wird.

Das Interesse an ESG-Aspekten nimmt schon seit rund zehn Jahren spürbar zu. Doch befeuert durch die intensiven Nachhaltigkeitsdebatten ist der Anteil nachhaltig investierender Großanleger in Deutschland vor allem zuletzt rasant gestiegen: Rund 80 Prozent der institutionellen Investoren hierzulande beziehen Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei ihrer Anlageentscheidung ein. Zu diesem Ergebnis kamen die Analysten der Investmentgesellschaft Union Investment, die eine jährlich Nachhaltigkeitsstudie durchführen. Im vergangenen Jahr legten 72 Prozent der Befragten ihr Kapital nachhaltig an, vor fünf Jahren waren es lediglich 60 Prozent.

Nachhaltigkeit zahlt sich aus

Doch die Großanleger investieren nicht nur aus altruistischen Gründen nachhaltig. Sie tun das auch, weil sie sich dadurch eine langfristig gute Rendite erhoffen. Für einen Großteil der Investoren scheint diese Überlegung aufzugehen: Der Studie von Union Investment zufolge sind 56 Prozent der Befragten mit ihren nachhaltigen Investments zufrieden oder außerordentlich zufrieden, während sich nur 2 Prozent unzufrieden zeigen. Bei fast 71 Prozent der Investoren, die sowohl nachhaltig als auch konventionell anlegen, haben sich die

nachhaltigen Portfolios zudem ähnlich gut wie oder gar besser als die konventionellen Portfolios entwickelt. Und auch mit Blick auf das Risiko sehen immerhin 25 Prozent deutliche Vorteile bei nachhaltigen Investments.

Besser durch die Corona-Krise

Auch andere Studien belegen den Erfolg nachhaltiger Anlagestrategien. So kam eine Untersuchung der Fondsratinggesellschaft Morningstar zu dem Ergebnis, dass innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren fast 60 Prozent der nachhaltigen Fonds die klassische Konkurrenz übertrafen. Über denselben Zeitraum überlebten zudem 72 Prozent der nachhaltigen Produkte, während es bei den traditionellen nicht einmal 46 Prozent waren. Besonders interessant: Die im Juni 2020 veröffentlichte Studie hat außerdem ergeben, dass sich nachhaltige Fonds während des Ausverkaufs zu Beginn der Corona-Krise besser als ihre traditionellen Pendants gehalten haben.

Die Ratingagentur Scope hat diesen Trend ebenfalls beobachtet. In einer Kurzzeitstudie kamen die Analysten zu dem Ergebnis, dass sich nachhaltige Aktienfonds im ersten Quartal 2020 als deutlich widerstandsfähiger erwiesen hätten als ihre klassischen Gegenstücke.

Gründe für die bessere Performance nachhaltiger Aktienfonds gibt es laut Scope viele: Die Fonds seien oft relativ defensiv positioniert, da sie in Unternehmen sehr guter Qualität und meist mit überdurchschnittlich gutem ESG-Rating investierten. Solche Firmen seien nicht nur hervorragend für die Zukunft gerüstet. Sie wiesen zumeist auch sehr solide Bilanzen, stabile Einnahmen und hohe Gewinnmargen auf. Vorteilhaft sei außerdem, dass diese Unternehmen globalen Veränderungen gegenüber sehr aufgeschlossen gegenüberstünden und diese eher als Chancen denn als Hindernisse wahrnehmen würden. Entsprechend erwiesen sich viele dieser Unternehmen in der Krise als resilienter als ihre weniger nachhaltigen Wettbewerber.

Die Auswahl an nachhaltigen Investments steigt stetig

Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch immer mehr Privatanleger bei ihrer Investmententscheidung auf nachhaltige Kapitalanlagen setzen. Dominant sind bei Privatanlegern immer noch die ökologischen Aspekte, also die Themen Umweltschutz und Klimawandel. Aber auch die ESG-Kriterien Soziales und Unternehmensführung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Und: Die Auswahl an nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten steigt rasant. Noch vor wenigen Jahren waren nachhaltige Fonds vor allem im Aktienbereich präsent. Mittlerweile gibt es auch viele Rentenfonds, die auf Nachhaltigkeit setzen. Zudem haben Anleger über Direktinvestments, mit der Beteiligung an geschlossenen Fonds und über andere Anlagemodelle die Möglichkeit, ihr Geld nachhaltig zu investieren. Laut einer Studie der Global Sustainable Investment Alliance ist die Summe der weltweiten nachhaltigen“´ Anlagen von 2016 bis 2018 um 34 Prozent gestiegen – von knapp 23 auf fast 31 Billionen US-Dollar.

Rückenwind aus der Politik

Künftig dürfte die Auswahl an nachhaltigen Finanzprodukten für Anleger noch weiter steigen. Denn nachhaltige Investments bekommen erheblichen Rückenwind von Seiten der Politik: Im März 2018 hat die Europäische Kommission einen ehrgeizigen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums beschlossen. Dieser Aktionsplan zielt darauf ab, private Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken, damit das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten und die UN-Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können.

Deshalb möchte die EU fortan grüne Finanzprodukte besonders fördern. Unter anderem sollen ein einheitliches Klassifizierungssystem eingeführt und Nachhaltigkeitsfaktoren in der Risikobewertung von Finanzprodukten stärker berücksichtigt werden. Dafür sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, etwa Regelungen zur Klassifizierung nachhaltiger Aktivitäten, Transparenzvorgaben für Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter sowie eine Offenlegungspflicht für ESG-Benchmarks.

Die neuen europäischen Regularien sollen einerseits für einheitliche Standards bei den Bezeichnungen „nachhaltig“ und „ESG“ sorgen und Anlegern die Fondsauswahl erleichtern. Andererseits sollen sie die Finanzindustrie insgesamt dazu animieren, neue Produkte auf den Markt zu bringen und somit Gelder verstärkt in nachhaltige Projekte lenken. Nachhaltigkeit wird damit für viele immer mehr von der Kür zur Pflicht. Das dürfte sich auch mittel- bis langfristig kaum ändern. Denn der Handlungsbedarf in Sachen Umweltschutz ist akut – und das wird sich vorerst kaum ändern.

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