Lifestyle / Kultur
15 März 2020

Megatrend Individualisierung: Neue Wohn- und Arbeitswelten

Blog individualisierung einrichtung

Flexibel, praktisch, komfortabel: Mikroapartments sind perfekt auf die Bedürfnisse der Individualisten von heute ausgerichtet

Ob Trenchcoat, Schal oder Parfumflakon – beim britischen Label Burberry lassen sich immer mehr Produkte mit individuellen Monogrammen versehen. Auch bei Louis Vuitton werden Taschen, Geldbörsen und Koffer inzwischen mit der Aktion „mon monogramme“ von einer – wenn auch teuren – Massenware zu einem personalisierten Accessoire mit bunten Initialen des Besitzers. Nike wiederum lädt seine Webshop-Besucher dazu ein, ihre Sportschuhe zu individualisieren: Per Mausklick können Modell, Farben, Materialien, Muster, Schnürsenkel und Sohlen frei miteinander kombiniert werden und so jedem Schuh eine ganz persönliche Note verleihen.

Mass Customizing nennt sich das Angebot, mit dem immer mehr Marken auf den Wunsch der Menschen nach Individualität und Distinktion reagieren. Dieser Wunsch freilich bezieht sich nicht nur auf Lifestyle-Produkte, sondern auf alle Bereiche unseres Lebens. Er ist so groß, dass das Zukunftsinstitut ihn sogar als einen der Megatrends unserer Zeit bezeichnet. „Individualisierung“, so heißt es auf der Webseite des Frankfurter Think Tanks „ist das zentrale Kulturprinzip der westlichen Welt“ und es entfalte seine Wirkmacht zunehmend global.

Im Wesentlichen bedeutet Individualisierung, dass jeder die Freiheit hat, zu tun und zu lassen, was immer er oder sie möchte. Es geht also um die Verwirklichung des eigenen Selbst, das Streben nach Autonomie, die Loslösung von allen Zwängen und die Ausweitung der Möglichkeiten für jeden Einzelnen. Mit dem Trend einher geht somit auch eine enorme Ausdifferenzierung von Lebenskonzepten, Familienkonstellationen, Konsummustern – und nicht zuletzt Wohn- und Arbeitsformen. Um den letztgenannten Punkt soll es in diesem Artikel gehen: Wir geben einen Überblick über die Auswirkungen des Megatrends Individualisierung auf die Immobilienwirtschaft und die Anforderungen an Wohn- und Arbeitsräume.

Die Versingelung der Gesellschaft

Parallel zur Individualisierung der Gesellschaft und zur Pluralisierung der Lebensformen ist eine zunehmende Versingelung der Gesellschaft zu beobachten: Immer mehr Menschen entscheiden sich ganz bewusst dafür, ihr Leben – zumindest für eine gewisse Zeit – frei und ungebunden zu verbringen. Die Statistiken zur durchschnittlichen Haushaltsgröße in Deutschland unterstreichen diesen Lebenswandel: Im Jahr 2017 lebten rund 17,3 Millionen Menschen in Deutschland in Einpersonenhaushalten. Das sind knapp 21 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 1991 lag der Anteil von Personen, die alleine leben, bei lediglich 14 Prozent.

Was die Statistiken allerdings nicht beantworten können, ist die Frage, ob die Menschen in den Einpersonenhaushalten tatsächlich Singles sind oder ob sie nur nicht mit ihrem Partner unter einem Dach leben. Nichtsdestotrotz wächst die Zahl der Einpersonenhaushalte seit Jahren kontinuierlich – und eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Flexibles Wohnen im Mikroapartment

Im Gegenteil. Eine neue Wohnform für Einzelpersonen erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom: das Wohnen in sogenannten Mikroapartments – Apartments, die möglichst viel Lebensqualität auf möglichst kleinem Raum bieten. Meist sind sie nur etwa 20 bis 35 Quadratmeter groß und werden voll- oder teilmöbliert vermietet. Damit sind Mikroapartments ideal für das Wohnen auf Zeit geeignet. Und so verwundert es nicht, dass die neue Wohnform bei den Individualisten von heute gut ankommt: Sie können ein regelrechtes Städte-Hopping betreiben, müssen sich nicht lange an eine Wohnung binden und ersparen sich den Umzugsstress, wenn sie es nach kurzer Zeit an einen anderen Ort treibt.

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Neue räumliche Freiheit: dank der Digitalisierung nicht mehr an den festen Arbeitsort gebunden

Open Spaces For Open Minds

Doch die zunehmende Individualisierung führt nicht nur zu neuen Wohnformen. Auch die Anforderungen an die Arbeitsorte ändern sich seit einigen Jahren gewaltig. Denn zur Individualisierung gehört auch, dass die Menschen zunehmend nach dem Sinn fragen – insbesondere was ihre Arbeit betrifft. Die Selbstverwirklichung findet nicht mehr außerhalb der Arbeit statt, sondern in der Arbeit selbst. Und weil ein freier Geist auch räumliche Freiheit braucht und die Menschen dank Digitalisierung nicht mehr an feste Arbeitszeiten und -orte gebunden sind, ändern sich auch Bürokonzepte und Workspaces erheblich.

Der stetig steigende Trend zur flexiblen Arbeit zeigt sich wohl nirgends so deutlich wie am rasanten Aufstieg der Coworking Spaces. Vor knapp 15 Jahren wurde der erste Coworking Space in San Francisco gegründet, von dort aus führte er einen imposanten Siegeszug um die Welt: Während es laut Statista im Jahr 2010 weltweit lediglich 600 Coworking Spaces gab, waren es im Jahr 2017 bereits 15.000 – Tendenz weiter steigend.

Und auch das klassische Unternehmensbüro passt sich den Wünschen einer zunehmend individualisierten Gesellschaft an. Weil das dezentrale, ortsunabhängige Arbeiten immer beliebter wird, fällt die ursprüngliche Rolle des Büros als reine Arbeitsstätte allmählich weg. Die neue Funktion des Büros ist es, ein Ort zu sein, an dem sich die Mitarbeiter austauschen, und vernetzen können. Es ist ein Ort, der sie dabei unterstützt, sich selbst und ihre Kreativität voll zu entfalten.

Multifunktionalität als neues Prinzip

Das schafft das Büro, indem es sowohl Räume bietet, die auf Kommunikation, Networking und Teamarbeit ausgelegt sind, wie auch Orte, an denen Mitarbeiter zur Ruhe kommen, konzentriert arbeiten und sich entspannen können. Um all diesen unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden, sind Workspaces zunehmend multifunktional und flexibel gestaltet.

Multifunktionalität gewinnt aber nicht nur im Kontext von Büroimmobilien eine immer wichtigere Bedeutung. Auch im Bereich der Stadtplanung wird zunehmend Wert darauf gelegt, dass Gebäude und ganze Quartiere multifunktional und möglichst nutzungsneutral gestaltet sind. So ermöglichen sie ihren Nutzern einerseits vielfältige Wohn-, Arbeits- und Lebensmodelle. Andererseits können die baulichen Strukturen auf diese Weise schneller auf gesellschaftliche Trends und Veränderungen reagieren.

Individualisten mit Gemeinschaftssinn

Zugleich werden in Gebäuden und Quartieren immer mehr Orte der Begegnung geschaffen. Solche Orte sind zentral, denn in einer Gesellschaft der Individualisten spielt der Gemeinschaftssinn eine immer wichtigere Rolle. Was auf den ersten Blick widersprüchlich klingt, erklären die Forscher des Zukunftsinstituts wie folgt: „Je individualistischer der Lebensentwurf, desto mehr ist man auf die Unterstützung von Menschen angewiesen, die nicht unmittelbar zum familiären Umfeld gehören, das man „sowieso zur Geburt“ bekommt. Wer aus Selbstverwirklichungsgründen migriert, ob im Land oder international, muss sich offen und kooperativ zeigen, will er in der Ferne Erfolg haben und nicht bindungslos vereinsamen.“

Doch nicht nur das: Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung findet zunehmend eine Rückbesinnung auf alte Werte statt. Die Menschen sehnen sich nach dem echten Leben, nach Gemeinschaft außerhalb der digitalen Welt und nach Verbundenheit vor Ort. Aus diesem Grund sprießen insbesondere in Großstädten immer mehr Community Gardens aus dem Boden: Gemeinschaftsgärten, bei denen sich urbane Hobbygärtner treffen, um Kräuter- und Gemüsebeete anzulegen und diese gemeinsam zu hegen und zu pflegen.

Coliving: Alles unter einem Dach

Und noch ein weiterer Trend erobert aktuell die Städte der Welt: das sogenannte Coliving. Dabei handelt es sich um eine moderne Wohngemeinschaft für Berufstätige. Hauptzielgruppe sind vor allem junge Menschen, die an keinen festen Arbeitsplatz gebunden sind, etwa Freelancer, Startup-Gründer und andere digitale Nomaden – also die typischen Individualisten von heute. Die Grundidee: Die Bewohner leben nicht nur gemeinsam unter einem Dach, sondern arbeiten auch zusammen, tauschen sich aus und inspirieren sich gegenseitig.

Wie das Mikroapartment sind auch die Coliving-Wohnungen in der Regel möbliert und für das Wohnen auf Zeit geeignet. Darüber hinaus bieten die Gebäude, in denen sich die einzelnen Wohnungen befinden, vielfältige Gemeinschaftsflächen wie Aufenthaltsräume, Work Spaces, Dachterrassen und Gärten. So trägt der Coliving-Trend einerseits dem Wunsch nach freier Entfaltungsmöglichkeit Rechnung und schafft andererseits Raum für Interaktion und Integration in eine Community der Individualisten.

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