In der Zukunft geht es rund
Wiederverwenden statt wegwerfen, Umnutzung statt Abriss. Das Konzept des zirkulären Bauens findet immer mehr Befürworter. Schließlich gilt es, die Bauwirtschaft nachhaltiger aufzustellen und Ressourcen effizienter zu nutzen.
Herstellen, verbrauchen, entsorgen – das weltweit noch dominierende lineare Wirtschaftsprinzip war lange unangefochten. Inzwischen ist aber klar: Die globale Wegwerfgesellschaft lebt über ihre Verhältnisse. Das Ergebnis sind immense Klimaschäden, schwindende Ressourcen und wachsende Müllberge, die wertvolle Rohstoffe ungenutzt verschlingen.
Auch der Bausektor will so nicht weitermachen. Noch gilt er als einer der Hauptverursacher der Erderwärmung. Nach wie vor werden zum Beispiel riesige Mengen an Zement, Stahl, Aluminium und Kunststoff für den Bau von Gebäuden verbraucht. Doch das Umdenken hat begonnen. Zunehmend in den Fokus rückt die Kreislaufwirtschaft.
Zirkuläres Bauen ist ein zentraler Hebel, um die Industrie nachhaltig umzubauen und ihr Wachstum von Umweltschäden zu entkoppeln: Wenn Rohstoffe im bestenfalls ewigen Kreislauf zirkulieren und Materialien immer wieder genutzt werden, können Klima, Ressourcen und Biodiversität geschont und Abfälle vermieden werden. Wegwerfen war gestern. „Reduce, reuse, recycle“ (reduzieren, wiederverwenden, verwerten) ist das neue Mantra.
Zirkulär statt linear
In der Praxis versuchen daher immer mehr zukunftsorientierte Bauunternehmen und Projektentwickler, bereits in der Planungsphase die richtigen Weichen zu stellen. Auch der spätere Rückbau muss von Anfang an mitgedacht werden. Schließlich soll möglichst alles, was einmal verbaut wurde, später wieder verwertet werden können – und das so einfach wie möglich. Frühzeitig geplant, kann in der Kreislaufwirtschaft jedes Bauwerk zum Materiallager auf Zeit und zur Rohstoffquelle für zukünftige Projekte werden.
Damit das gelingt, gehören die konventionellen Bausysteme auf den Prüfstand: Wo beispielsweise bisher Materialien verklebt und damit untrennbar miteinander verbunden wurden, ist mit dem Blickwinkel des zirkulären Bauens vielleicht eine Verschraubung geeigneter. Daneben hängt insbesondere von der Wahl der Rohstoffe und Produkte ab, ob sie später entweder in gleicher Qualität erhalten und wiederverwendet oder vollständig abbaubar in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Schad- und Risikostoffe sind zu vermeiden, langlebige Bauteile zu benutzen, nachwachsende Rohstoffe zu bevorzugen. Eine zunehmende Rolle spielt bereits Holz im mehrgeschossigen Gewerbe- und Geschosswohnungsbau (der US-Invest berichtete). Seine Herstellung ist im Vergleich zu herkömmlichen Baustoffen wie Beton und Stahl deutlich energieeffizienter. Außerdem bindet es bereits in der Wachstumsphase CO2.
Diesen Vorteil bringen auch nachwachsende Materialien wie Hanf, Flachs, Stroh, Wolle oder Kork mit, die als alternative Dämmstoffe immer stärker in den Fokus rücken. Anders als konventionelle Dämmstoffe wie Mineralwolle oder erdölbasierte Kunststoffe können sie meist problemlos wiederverwendet, thermisch verwertet oder sogar kompostiert werden, ohne negative Langzeitfolgen für Umwelt und Gesundheit.
„Graue Energie“ als entscheidender Hebel
Um die Nachhaltigkeit im Gebäudesektor zu erhöhen, wird beim Kreislaufgebäude auch die sogenannte graue Energie berücksichtigt. Damit wird die Menge an Primärenergie bezeichnet, die über den Lebenszyklus des Gebäudes aufgewendet und verbraucht wurde – angefangen beim Abbau von Rohstoffen und der Herstellung von Materialien und Bauteilen bis hin zur Entsorgung von Abfällen. Bei dieser Betrachtung verliert der relativ geringe Energieaufwand im Betrieb an Bedeutung gegenüber dem in der Bau- und Rückbauphase.
Ein wichtiges Anliegen des zirkulären Bauens ist es daher, bereits die Bauphase nachhaltiger zu gestalten. Als Vorreiter gilt die norwegische Hauptstadt Oslo: Dort werden bereits seit 2019 bei städtischen Projekten Baumaschinen mit Elektroantrieb eingesetzt, was zu einer erheblichen Einsparung von Dieselkraftstoff und einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes führt. Inzwischen folgen weitere Metropolen diesem Beispiel. Insgesamt 40 Großstädte, darunter Los Angeles, Budapest und Mexiko-Stadt, haben sich verpflichtet, die Emissionen bei allen Neubauten und Infrastrukturprojekten bis 2030 mindestens zu halbieren.
Im Gebäudebestand bedeutet Ressourcenschonung die Verlängerung der Lebensdauer. Schließlich ist die Sanierung eines bestehenden Gebäudes gegenüber Abriss und Neubau immer klimafreundlicher, da CO2-Emissionen, graue Energie und Baumaterialien eingespart und Bauabfälle vermieden werden. Zudem wird kein zusätzlicher Boden versiegelt und die vorhandene Infrastruktur genutzt. Umnutzungen lassen sich am einfachsten realisieren, wenn Gebäude von vornherein modular, veränderbar, reparierbar und recycelbar geplant werden. Das ist nicht nur in Zeiten von Versorgungs- und Materialengpässen sinnvoll – die in Gebäuden gebundenen Stoffe und Materialien sind einfach zu wertvoll, um als Abfall zu verschwinden.
Im Spannungsfeld aus zahlreichen Prozessen mit starken ökologischen Auswirkungen, zunehmend knapperen Rohstoffen und der stetig steigenden Nachfrage nach Wohn- und Gewerberaum stellen Kreislaufstrategien einen zentralen Hebel dar, die Bauindustrie nachhaltig umzugestalten und ein Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen. Werden Wiederverwendung, Reparatur und Recycling bereits im Design- und Herstellungsprozess berücksichtigt, lassen sich Ressourcen- und Abfallmengen erheblich verringern sowie CO2-Emissionen einsparen. Gleichzeitig reduzieren sich dadurch die Gesamtkosten von Bauprojekten. Der Weg mag noch weit sein, doch er lohnt sich gleich mehrfach.
Zirkuläres Bauen spielt auch bei den Jamestown Objekten eine immer wichtigere Rolle. Bei der Revitalisierung von „Ponce City Market“ (PCM) in Atlanta blieben beispielsweise 99,5 Prozent des ursprünglichen Fußbodens erhalten. Die in den Holzfußböden gespeicherte graue Energie beläuft sich auf rund 455 Tonnen CO2. Bei Neubauprojekten setzt Jamestown ebenfalls auf Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit: Auf dem PCM-Areal entsteht ein vierstöckiges Holzgebäude, vorwiegend bestehend aus Kiefernholz von Jamestown-Forsten in der Region. Durch die modulare Holzbauweise wird Jamestown rund 75 Prozent der bei der Herstellung der Baustoffe entstehenden Emissionen im Vergleich zur herkömmlichen Betonbauweise einsparen. Und: Aus Folien der Bauzäune sollen nach Abschluss der Bauarbeiten Einkaufstaschen hergestellt werden.