Lifestyle / Kultur
30 April 2020

100 Jahre Bauhaus: Dramatische Beschleunigung der Moderne

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Stilbildend für das Gesicht von Downtown Chicago: Das Chicago Federal Center, das 1974 von Mies Van der Rohe erbaut wurde

Der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, mittlerweile Bundespräsident, nannte es das „Weiße Haus des Exils“. Gemeint ist das Thomas-Mann-Haus im kalifornischen Pacific Palisades, dort wo am Rande von Los Angeles so viele Schöne und Reiche leben. Es ist das Haus, das die Bundesregierung vor drei Jahren kaufte, vor dem Verfall rettete und nun dort eine kulturelle, transatlantische Begegnungsstätte eingerichtet hat.

Der Zeitpunkt hätte kein besserer sein können, gerade noch rechtzeitig vor dem 100-jährigen Jubiläum des Bauhausstils von Walter Gropius – nicht nur, aber hauptsächlich bekannt durch seine schlichte, funktionale und gläserne Architektur. Denn Thomas Mann hatte 1942 den deutsch-englischen Architekten Julius Ralph Davidson mit dem Entwurf beauftragt. Der Modernist gilt als einer der vielen und wichtigen Architekten, die den Bauhausstil über Jahrzehnte pflegten.

Der Bauhausstil wirkt bis heute. 1919 als Kunstschule gegründet, wurde aus einer Bildungsstätte für Architektur, Handwerk und Design schnell eine Bewegung, die sich in ganz Deutschland und nach und nach im Ausland ausbreitete. Der Gestaltungsgrundsatz „form follows function“ (Form folgt Funktion), der auf den amerikanischen Architekten Louis Sullivan zurückgeht, wurde in dieser Epoche als „Verzicht auf jegliches Ornament“ definiert, bei der Funktionalität und Sachlichkeit im Mittelpunkt stehen.

Funktionalität und Sachlichkeit stehen im Fokus

Aber den Nationalsozialisten war die Avantgarde der Klassischen Moderne ein Dorn im Auge, die Schule zur Selbstauflösung gezwungen. Die allermeisten der wichtigen Bauhausprotagonisten zog es in die USA: Gropius, Marcel Breuer oder Herbert Bayer und andere. Eine entscheidende Rolle dabei spielte Alfred Barr, Gründungsdirektor des heute so berühmten Museum of Modern Art „MoMa“ in New York. Der hatte 1927 zusammen mit dem noch jungen, später aber einflussreichen Architekten Philip Johnson die Bauhausprotagonisten Walter Gropius, László Moholy-Nagy und Bauhauslehrer und Maler Paul Klee in Deutschland kennengelernt und war von der Funktionalität, dem Design und der Bedeutung von Licht in der Bauhausarchitektur fasziniert – ideal für das „MoMa“.

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Foyer des MoMa: Funktionalität, Design und Licht entsprechen der Bauhausarchitektur

„New Bauhaus“ in den USA

In der Folge half Johnson Gropius und Breuer, nach 1933 in den USA Fuß zu fassen. Gropius sollte Direktor des „MoMa“ werden, dann aber lehrte er an der Harvard University in Boston. Ludwig Mies van der Rohe, László Moholy-Nagy und Ludwig Hilberseimer gründeten 1937 in Chicago das „New Bauhaus“. Geistiges Zentrum wurde das Black Mountain College in North Carolina, wo Josef Albers und seine Frau Anni als Professoren wirkten, unter deren Einfluss eben auch besagter Davidson stand. 1938 organisierte Johnson schließlich gemeinsam mit Barr am MoMa die erste große Ausstellung über das Bauhaus. Mit dieser Schau war die Kunstschule samt ihren Ideen endgültig in der Neuen Welt angekommen.

Der Bauhauseinfluss auf alles, vom Städtebau und der Städteplanung bis zu der Art und Weise, wie amerikanische Eigenheime und Büros eingerichtet wurden, war profund. „Das Bauhaus hat die Moderne in den USA dramatisch beschleunigt“, schreibt das Magazin „Design Observer“ zum 100-jährigen Bauhausjubiläum.

Das prominenteste Bauhausexemplar in New York ist zweifellos das Seagram-Gebäude an der Park Avenue, das Mies van der Rohe 1958 fertigstellte. Das sichtbare Stahlskelett war die bislang radikalste Absage an den Fassadismus der frühmodernen New Yorker Architektur – wegweisend über Jahrzehnte hinweg für die Architektur kommerzieller Gebäude auf der ganzen Welt. Weitere Bauhausbeispiele neben vielen anderen sind das benachbarte MetLife Building (bei dem auch Gropius mitwirkte), das New York State Theater am Lincoln Center, heute David H. Koch Theater (Johnson), der Federal Plaza in Chicago (van der Rohe) – oder Gropius‘ Wohnhaus in Lincoln bei Boston, in dem er 1969 starb.

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Eine der ersten Bauhaus-Villen in den USA: das Thomas-Mann-Haus in Kalifornien

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