Lifestyle / Kultur
31 März 2020

Neue Perspektiven für den amerikanischen Rust Belt

Blog usi rustbelt fabrik

Lange Zeit herrschte Trostlosigkeit im Rust Belt. Nun erfinden sich hier immer mehr Städte neu – mit findigen Ideen abseits von Kohle und Stahl.

Leerstehende Fabriken, heruntergekommene Häuser und verwaiste Straßenzüge – diese Eindrücke prägen das Bild des einstigen Manufacturing Belts, der ehemals größten Industrieregion der USA. Sie liegt im Nordosten des Landes und zieht sich durch die Staaten Illinois, Michigan, Indiana, Ohio und Pennsylvania bis in den Staat New York. Im 19. Jahrhundert boomte die Region wie keine andere in Amerika. Mit der Förderung von Eisen, Kohle und Erdöl, mit der Herstellung von Stahl und der im 20. Jahrhundert aufblühenden Automobilindustrie war sie über Jahrzehnte das industrielle Herz der Vereinigten Staaten.

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts und insbesondere seit der Stahlkrise in den 1970er Jahren ging es mit der Region jedoch rapide bergab. Immer mehr Jobs wurden ausgelagert in Länder, in denen die Produktionskosten niedriger waren, und der Manufacturing Belt wurde fortan als „Rust Belt“ bezeichnet. Denn die lokalen Industrien rosteten ein und die Städte verloren an wirtschaftlicher Bedeutung. Massenarbeitslosigkeit, steigende Kriminalität und Einwohnerschwund waren die Folge.

Im Wahlkampf 2016 schwor Donald Trump, der Region zu neuer Prosperität zu verhelfen. Seine Worte zeigten Wirkung: Dass Trump Präsident wurde, hat er ganz wesentlich den Wählern im Rust Belt zu verdanken. Zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen hat der amerikanische Präsident seither allerdings kaum. Die 2018 eingeführten Zölle auf Stahl und Aluminium brachten lediglich 200 neue Jobs in der Stahlindustrie. Gleichzeitig entstanden den großen amerikanischen Autoherstellern Mehrkosten in Milliardenhöhe. Es zeigt sich immer deutlicher: Auf eine Wiederbelebung der alten Industrien wird die Region vergeblich warten. Es müssen neue Lösungen her. Das erkennen immer mehr Städte des Rust Belts und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand – mit findigen Ideen abseits von Kohle und Stahl.

Die Stadt Akron in Ohio hat den Strukturwandel bereits geschafft: Lange Zeit war sie der wichtigste Standort der US-Reifenindustrie, was der Stadt den Spitznamen „Rubber Capital of the World“ („Welthauptstadt des Gummi“) einbrachte. Nach dem Niedergang der örtlichen Reifenindustrie ab der Mitte des 20. Jahrhunderts setzte die Stadt auf eine neue Technologie: Heute hat sie sich als ein Zentrum der Polymer- und Kunststoffentwicklung etabliert, mit einem College, das auf die Polymerforschung spezialisiert ist und Hunderten kunststoffverarbeitenden Betrieben in der Umgebung.

Wiederbelebung des Rostgürtels

Auch das als „Steel City“ bekannte Pittsburgh hat sich neu erfunden: Inzwischen ist die einstige Stadt des Stahls im Herzen des Rust Belts zu einem der großen Technologie- und Robotikzentren abseits des Silicon Valleys aufgestiegen. Die Universität gehört zu den besten des Landes. Zahlreiche Unternehmen wie Google, Apple, Microsoft, Intel und Uber haben in Pittsburgh Büros eröffnet, viele von ihnen mit eigenen Forschungsabteilungen. Immer mehr Start-ups zieht es in die Metropole. Kulturell hat Pittsburgh ebenfalls einiges zu bieten: eine angesagte Kunstszene, zahlreiche Szeneviertel und eine lebendige Innenstadt – alles, was es braucht, um junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte anzulocken.

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Nordosten der USA: Hier verläuft der Rust Belt. Wird er als „Brain Belt“ ein Comeback erleben?

Vom Rust Belt zum Brain Belt

Auch andere Städte entlang des Rust Belts wie Indianapolis, Detroit und Cleveland tun einiges dafür, um wieder lebenswerter zu werden und Start-ups sowie Wissensarbeiter zu ködern. Sie bieten Steueranreize, sorgen dafür, dass die Innenstädte fußgängerfreundlicher werden, richten Wander- und Radwege ein und bringen die Kulturszene mit neuen Museen und Festivals in Schwung.

Die Maßnahmen zeigen Wirkung: In vielen Städten konnten der Einwohnerschwund gestoppt, die Arbeitslosigkeit auf den landesweiten Durchschnitt gesenkt und die Innenstädte wiederbelebt werden. Das Image des Rust Belts beginnt sich zu wandeln. Inzwischen wird zaghaft sogar vom „Brain Belt“ gesprochen. Die ehemalige Industrieregion ist in den Augen vieler Amerikaner kein hoffnungsloser Fall mehr, sondern im Gegenteil ein Beispiel dafür, wie sich Städte und Bundesstaaten von ihrem industriellen Erbe lösen und zu neuer Größe aufschwingen können.

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